Unsere Sehnsucht - Einheit in Vielfalt

"...dass die Menschen aller Völker, Kulturen und Schichten, 
bei aller Verschiedenheit von Temperament und Alter, zur Einheit finden, 
in der Liebe meines geliebten Bruders und Herrn Jesus." 
(aus unserer Gelübdeformel)

Wir leben meist zu dritt oder viert zusammen, Schwestern unterschiedlichen Alters und aus verschiedenen Gegenden. Dieses Zusammenleben in Gemeinschaft ist ein wichtiger Teil unserer Berufung und Sendung. Unsere Gemeinschaften möchten „Werkstätten" der Einheit sein und davon zeugen, dass der Traum Gottes für uns Menschen möglich ist: dass alle als Geschwister im Frieden zusammen leben. 

In der Gemeinschaft sind wir eingeladen, das Miteinander zu lernen. Hier erfahren wir Bestärkung und Stütze auf dem gemeinsamen Weg. Sie ist auch stete Herausforderung zum inneren Wachstum und Prüfstein unseres Zeugnisses. 

In gegenseitiger Achtung wollen wir unsere Verschiedenheiten als Chance und Reichtum erkennen. Wir wollen einander ermutigen, den Auftrag zu leben, der einer jeden persönlich anvertraut wurde. Zentrum und Mitte unseres Miteinanders ist Christus. Nur durch ihn hat unsere Gemeinschaft Bestand.

"Das Leben in Gemeinschaft ist ein Weg der Umkehr und der Ort, an dem wir empfangen, was Gott uns schenkt, Ort der Danksagung und Fürbitte: 'Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.'  (Mt 18,20)" 
aus unseren Konstitutionen.

Wir sind einander aber nicht nur in unseren kleinen Gemeinschaften vor Ort Schwestern, sondern sind eingebettet in das Netzwerk einer internationalen Gemeinschaft, über einzelne Länder und Erdteile hinweg. Durch Briefe und Treffen stehen wir miteinander in Verbindung und pflegen die Freundschaft mit Schwestern anderer Völker und Kulturen. 

Diese Internationalität ist ein großer Reichtum.

Schwestern wollen wir auch allen werden, mit denen wir unser Leben teilen, im Alltag, in der Nachbarschaft, in der Arbeit, im Altersheim, auf der Straße.

Es drängt uns danach, denen nahe zu sein, die am Rand der Kirche stehen, die nicht glauben können. Wir wollen durch unser Beten und Dasein mithelfen, die schmerzhafte Spaltung der Kirche zu überwinden und Brücken zu bauen zwischen den Religionen. In Treue zu unserem Ursprung prägt uns eine besondere Freundschaft zu den Gläubigen des Islam.

Abenteuer Interkulturalität

Als Vorbereitung auf unsere Ewigen Gelübde sind wir 14 Kleine Schwestern aus neun Ländern Europas, Asiens und Afrikas zusammengekommen, um für ein knappes Jahr in Gemeinschaft zu leben und dabei zu entdecken, wie verschieden wir sind.

Das beginnt schon bei der Sprache. Bei jeder von uns klingt das Französisch anders, je nach unserer Muttersprache. Oft verstehen wir nicht, was die Andere tatsächlich sagen will. Miteinander zu kommunizieren verliert seine Selbstverständlichkeit. Wie schnell beginne ich, Tatsachen nach meiner Art und Weise zu interpretieren! Wie schnell liege ich mit meiner Interpretation völlig daneben und trete in ein kulturelles Fettnäpfchen! Bin ich bereit, die Andere, die so anders, so verschieden ist, geschwisterlich zu lieben und lasse ich ihr die echte Freiheit, auf ihre Art zu handeln und zu denken?

Wir erleben das Gemeinschaftsleben als eine Quelle der Freude und der Ermutigung. Zusammen leben, sich gegenseitig unterstützen, gemeinsam beten, Geburtstage feiern. Etwas verkosten von den Gaben und den Erfahrungen der Anderen; beim Erzählen, beim Kochen, beim Versuch, miteinander wahrhaftig umzugehen und Dinge ins Wort zu bringen, um mehr zu verstehen... Wir verkosten dabei etwas von der Universalität, und das ist wunderschön!

In der Nähe von Assisi, in einer  Einsiedelei mitten zwischen Olivenhainen, sind wir für einen Monat zu Gast bei den Kleinen Brüdern vom Evangelium. Die Ausläufer heftiger Erdbeben sind hier noch deutlich spürbar und für uns eine ganz eigene Erfahrung. Muss ich mich nachts nach draußen flüchten, oder geht das eben gespürte Beben eher auf meine Mitschwester zurück, die sich im Stockbett über mir umdreht?
Die Andere kann mein Inneres erschüttern und mich einladen, meine bisweilen engstirnigen Vorstellungen aufzugeben. Wie mit einem Erdbeben, so ist es auch mit unserem "Gemeinsamen Jahr": Wir müssen das Haus unserer Gemeinschaft auf den Felsen bauen, sind angewiesen auf ein gemeinsames Fundament.

Als Kleine Schwestern verschiedener Kulturen und Traditionen zusammen unterwegs zu sein ist nicht einfach; wir reiben uns aneinander, aber wir gehen weiter in der Überzeugung, dass gerade auf den manchmal holprigen Wegen Gott begonnen hat, die neue Welt zu erträumen, die er erschafft.

Kleine Schwestern während der Vorbereitungszeit auf die Ewigen Gelübde 2017