Unser Alltag - Nazareth

Nazareth: ein kleines, unbedeutendes Dorf, von dem man sich wirklich nichts Besonderes erwartet. "Was kann aus Nazareth schon Gutes kommen?", fragte sich nicht nur einer der ersten Jünger Jesu. Ausgerechnet hier ist Jesus aufgewachsen, in der Peripherie, nicht in der pulsierenden Metropole Jerusalem. Hier hat er 30 Jahre lang gelebt, ein gewöhnliches Leben, als ein Mensch mitten unter Menschen. 

Das Leben Jesu in Nazareth nachahmen, das heißt für uns den Alltag der Menschen teilen. Es heißt, mitten unter ihnen wohnen, eine von ihnen zu werden. Ihre Nöte und Sorgen mitzutragen und ihre Freude zu teilen. 
 
Wir leben in kleinen Gemeinschaften, meist zu dritt oder viert, in einfachen Mietwohnungen. 

Unseren Lebensunterhalt verdienen wir durch unserer Hände Arbeit, in der Produktion, in Dienstleistungsbetrieben und anderen Arbeitsmöglichkeiten. So teilen wir die Lebens – und Arbeitsbedingungen der einfachen LohnarbeiterInnen. Das gemeinsame Arbeiten verbindet uns mit unseren KollegInnen. Die Mühsal einer oft harten Arbeit bringt uns einander nahe. Gemeinsam mit ihnen treten wir für bessere, menschlichere Bedingungen in der Arbeitswelt ein.

Unsere Nachbarn und Kolleginnen erzählen uns mit ihrer Freundschaft und Großzügigkeit von der Güte Gottes. Sie laden uns ein, zu erkennen, dass unser Leben ein Geschenk ist, das es anzunehmen gilt. Für uns ist das Leben mit ihnen auch eine Schule der Gegenseitigkeit. Die Illusion loslassen, dass es immer wir sind, die etwas zu geben haben - lernen, zu lieben und sich lieben lassen: Das sind die spannenden Herausforderungen unseres Alltags.

"Das Ordensleben verlangt nicht von dir, abgesondert von der Welt zu leben. Mach es wie Jesus, der für uns das Beispiel des vollkommenen Lebens ist: Nimm die Gastfreundschaft an, die dir angeboten wird, teile die Mahlzeiten deiner Nachbarn und Freunde, freue dich mit ihnen, lebe als Kleine Schwester mit ihnen – du kannst ihnen dadurch etwas von der Größe und Schönheit des Christseins und des Ordenslebens nahebringen." 

Kl. Sr. Magdeleine von Jesus



Nazareth - (k)eine außergwöhnliche Berufung

Kl.Sr. Myriam Johanna


"Nazareth leben heute..." - Kaum habe ich einen Satz darüber geschrieben, da kommt er mir schon wieder zu banal vor. Aber vielleicht ist das ja ein gutes Zeichen? Denn von je her wollen wir Kleinen Schwestern gerade nicht das Außergewöhnliche suchen, sondern möglichst unauffällig in den banalen und oft monotonen Alltag der unbedeutenden Leute eintauchen. Und das lässt sich schwer in wohlklingende Worte fassen.
Meine lange, erfolglose erste Arbeitssuche als Kleine Schwester in Halle hat mich an die Seite all derer gestellt, die den Anforderungen unsrer Gesellschaft nicht genügen, für die kein Platz auf dem Arbeitsmarkt ist, nicht einmal ein letzter. Nazareth - die Ohnmacht erleiden, keinen Ausweg aus der Arbeitslosigkeit zu finden, kleingemacht zu werden in zahllosen sinnlosen Maßnahmen vom Arbeitsamt, sich immer wieder sagen lassen müssen, man müsse sich gefälligst nützlich machen für die Gesellschaft... Das hatte ich nicht freiwillig gewählt, so wie keiner der anderen Langzeitarbeitslosen. Ohne das Vertrauen, dass auch in dieser aussichtslosen, unsinnigen Situation das Ausharren mit meinen 'Arbeitslos-KollegInnen' Sinn schenkt, hätte ich es nicht ausgehalten. Dieses Nazareth erschien mir so unerträglich, dass ich fast aus der Gemeinschaft ausgetreten wäre. Erst im Rückblick kann ich erahnen, wo Gott ganz verborgen gegenwärtig war. 
Nein, wir haben keine außergewöhnliche Berufung, sondern die Berufung aller zur Menschwerdung. Und dafür ist uns unser je eigenes Nazareth gegeben. Ganz unterschiedlich, je nach Kontext, Kultur, politischer Lage, Alter...