Humor in einem Moment des Dunkels
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„Deinen Tod, oh Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir!“
Ich hatte das Glück, mehrere Jahre in Jerusalem zu leben. Manchmal ließ ich mich mit einigen anderen Betenden des Nachts in der Grabeskirche einsperren und konnte lange Zeiten der Stille im Heiligen Grab verbringen. Immer wieder fragte ich mich, was an diesem Ort, dem Ort der Kreuzigung und der Grablegung, wohl geschehen war. Welche Kraft des Lebens hat den Tod bezwungen, so dass heute noch, nach 2000 Jahren, Ströme von Menschen kommen, um die Stelle zu berühren, Kraft zu schöpfen, die Hoffnung zu nähren. Ein leeres Grab als Zeichen unseres Glaubens?
Und was hat das alles mit meinem Leben zu tun?
Im Inneren des Grabes hängt die Ikone des Auferstandenen. Christus schaut mich an und lädt mich ein zu vertrauen, JA zu sagen zum Leben. Es steigen Erinnerungen hoch an die Zeit, als ich selbst schwer an Krebs erkrankte. Die Erfahrung, dass in meiner größten Schwäche eine Gegenwart da ist, die unabhängig von meinem eigenen Befinden und Tun mich hält, hat in mir etwas verwandelt. Es war wie ein Durchgang vom Tod zum Leben. In dieser Zeit begegnete mir auch der Clown. Er ist da im Jetzt, berührt, scheitert immer und steht wieder auf. Er wurde für mich zum Bild für Gott, der mich zum Lebenstanz einlädt. Der Clown hat mir geholfen, wieder gesund zu werden. Er verschaffte sich so viel Platz in meinem Leben, dass ich „ROTE NASEN-Clowndoctorin geworden bin.
Ob in Jerusalem, in Amman oder in Graz, wenn ich die rote Nase aufsetze und in mein Clownkostüm schlüpfe, geschieht eine Verwandlung. Minna, so heißt meine Clownfigur, holt nicht nur die anderen ins Land des Lachens, sondern holt mich selbst ins Jetzt zurück. Alles, was ist, darf sein, Traurigkeit, Freude, Wut, Anspannung. Wenn dann das Quietschschwein Emil frech aus ihrer Handtasche schlüpft und versucht, ein Ohrläppchen zu erwischen, um daran zu knabbern, wird es für Minna furchtbar peinlich. Grunzt und furzt es dazu auch noch, dann ist der Konflikt schon vorprogrammiert und es geht heiß her. Und trotzdem lieben sich die beiden sehr. So war es auch, als eine Wachkomapatientin bei all dem Gegrunze das erste Mal wieder lachte. Dies hat mich und auch die anwesenden Angehörigen tief berührt. Ein besonderer Moment war, als mein Clownpartner Franz mit seiner Ziehharmonika den Schneewalzer bei einem Wachkomapatienten spielte, der im Rollstuhl sitzt. Wieder handelte Minna spontan und intuitiv, legte eine Hand auf die Schulter des Patienten, die andere ganz behutsam in die verkrümmte Hand auf seinem Schoß und fragte: „Darf ich bitten?“ Sie begann, die Melodie mitzusummen und sich mit Herrn X zu wiegen. Da verwandelte sich sein Gesicht, die Starre wich und Tränen schossen aus seinen Augen. Gemeinsam spürten wir den Schmerz, die Emotion, die Freude und ließen uns vom Zauber der Begegnung mitnehmen.
Immer mehr entdecke ich, wie sehr meine Berufung als Kleine Schwester Jesu und mein Beruf als Clown zusammenstimmen. Wenn ich zulasse, was da ist und JA sage, bin ich im Kontakt mit mir selbst, mit den anderen und mit Gott. Das Spiel lockt Emotionen an die Oberfläche, die sonst versteckt blieben. Als Clownin wie als Ordensschwester begegne ich dem Anderen von Herz zu Herz.
Trotz aller widrigen Umstände und körperlicher Gebrechen, die eine Person erleidet, hat sie diese unantastbare Würde, ist ganz Mensch mit seiner Sehnsucht und allen Gefühlen.
Der Clown ist „kondensiertes“, verdichtetes Menschsein. Unsere Ordensgründerin, Kleine Schwester Magdeleine sagte: „Wichtiger als dein Leben als Ordensfrau ist Dein Dasein als Mensch und Christin.“ Minna sucht bei den Menschen einen Spalt, durch den Licht einfallen kann. Der Humor ist dabei wie ein Funke, der überspringt und der auch mich verändert.
Humor in einem Moment des Dunkels. Freude im Augenblick der Not. Berührung mit dem Leben in der Nähe des Todes. Ist das die Erfahrung des leeren Grabes? Ist das Auferstehung mitten im Leben?