80 Tage Exerzitien 

Jerusalem - einmal anders oder: 80 Tage Exerzitien im Alltag
So könnte ich die vergangenen zweieinhalb Monate beschreiben.

80 Tage, an denen ich dem schönen Klang der hebräischen Sprache zuhöre, ohne die Worte zu verstehen. 
80 Tage Leben in einer Völkervielfalt mit den unterschiedlichsten Sprachen und Hautfarben.
80 Tage von jüdischem, christlichem und moslemischem Gebet geprägt und doch so voller Aggression und Gewalt. - Aber nicht nur.
Von Mitte März bis Ende Mai durfte ich eine unserer Schwestern begleiten, die nach einem schweren Unfall noch auf Hilfe angewiesen war. Während der zahlreichen Stunden im Therapiezentrum wurden Patienten, woher auch immer sie kamen, mit so viel Freundlichkeit, Kompetenz und Aufmerksamkeit behandelt, jede, jeder ganz und gar wertgeschätzt. Ich wurde Zeugin von Heilungsprozessen, die mit viel Ausdauer, Mühe, auch mit Schmerzen verbunden waren, mit Loslassen und Neuanfang. 
An therapiefreien Tagen machten wir kurze, doch nach und nach länger werdende Spaziergänge, z.B. durch die wunderbare Natur des Friedensparks (!). Sie führten an der Klostermauer des Klarissenklosters vorbei, die auch Charles de Foucauld gekannt hat. Immer wieder ging der Blick auf die Altstadt, den Ölberg, Bethanien, und bei klarem Wetter über das Tote Meer hinaus bis nach Jordanien.

In unserem schlichten Abendgebet wurde jeder Tag in einem Psalm noch einmal aufgenommen.

Bei der Eucharistiefeier in der hebräisch sprechenden Gemeinde wurden mir unsere jüdischen Wurzeln im Glauben noch mehr bewusst. 

„Gepriesen bist Du, Schöpfer der Welt! Du schenkst uns das Brot, Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit…“ ist das Tischgebet jeder gläubigen Familie – und auch in unserer Gemeinschaft. 

Das eucharistische Brot sind die Matzen, das ungesäuerte Brot, das in der Woche des jüdischen Osterfestes (und oft auch sonst) gegessen wird und das Jesus mit seinen Jüngern geteilt hat. Feigen - und Olivenbäume, Ziegen und Schafe, die warme Sonne, Düfte und Gerüche, die auch Jesus vertraut waren….

Gleichzeitig war mein Leben hier in Jerusalem sehr „klausuriert“, örtlich begrenzt, wie das ja auch bei richtigen Exerzitien ist. Je kleiner das Umfeld, umso tiefer können Erfahrungen und Begegnungen werden.

In meinem Herzen bleiben Shira und Thalya, Dvora, Hanni, Shoshana, Emile und Audet und der moslemische Taxifahrer, der aus großer Fürsorge für uns in Mekka beten wird. 
Vor allem aber wurde mir eine tiefere Beziehung geschenkt zu Yeshuah, Jesus, der nicht nur hier, der überall mit uns geht, in unserem Alltag zu Hause ist.